Mittwoch, 20. Februar 2013

Google mischt den Hotelmarkt auf

Die Zimmervermittlung übers Internet war für Hotelbuchungsportale wie HRS oder Booking.com lange eine Goldgrube. Doch das Geschäftsmodell bekommt Risse. Nun drängt auch noch der Suchmaschinenriese Google in den Markt.

Hamburg - Tobias Ragge ist ein ziemlich umtriebiger Typ. Etwa ein Drittel des Jahres ist der 36-Jährige geschäftlich auf Reisen. Dazwischen führt der Sohn des HRS-Gründers Robert Ragge den seit 40 Jahren bestehenden Familienbetrieb. Seit er vor fünf Jahren die Leitung des Hotelbuchungsportals von seinem Vater übernommen hat, hat er einiges gestemmt.

2011 die Millionenübernahme des Mitwettbewerbers hotel.de, in deren Anschluss er bei den Hotels eine deutliche Provisionserhöhung durchsetzte. Eine Kooperation mit dem Reisebuchungsspezialisten Amadeus, juristische Auseinandersetzungen mit dem Wettbewerber Justbook, der HRS auf dem Last-Minute-Markt Konkurrenz machte. Und im November dann auch noch den Start der eigenen Last-Minute-App Hotels Now.

Ein strammes Programm - dennoch hat der frische gekürte Travel Manager des Jahres derzeit wenig Grund zum Lachen. Zwar wächst der Anteil der Onlinebuchungen stetig. Doch gleichzeitig macht die Branche Umwälzungen durch, die den selbtbewussten Kölner vor schwere Herausforderungen stellen könnten.

Dass aus allen Ecken derzeit immer neue, junge Unternehmen sprießen, die dem Platzhirschen einen Teil seines Geschäftes streitig machen, dürfte dabei noch das geringste Problem sein. Umkämpft ist hier vor allem der Markt der Last-Minute-Buchungen - Buchungen, die - häufig von Geschäftsleuten - erst wenige Stunden vor dem Einschecken, teils noch bis spät in die Nacht getätigt werden können.

Smartphone-Boom beflügelt Last-Minute-Buchungen
Beflügelt von der rasant steigenden Smartphone-Nutzung und Nachlässen von bis zu 50 Pozent sprießen derartige Angebote derzeit wie Pilze aus dem Boden. Darunter der US-Anbieter HotelTonight, dessen deutscher Klon JustBook sowie das Berliner Startup Hipaway.

Zwar läuft in Deutschland bislang mit weniger als 4 Prozent nur ein Bruchteil der Hotelbuchungen über Smartphones und Tablets - und der Last-Minute-Markt ist auch nur ein Teil davon. Doch er wächst rasant. Die Reaktion von Ragge ließ denn auch nicht lange auf sich warten: Er forderte von den Hotels dieselben Konditionen für HRS ein und machte als Platzhirsch im November eine Konkurrenzveranstaltung zu Just Book auf - Hotels Now.

Doch der Schritt hatte Konsequenzen: JustBook ging gerichtlich dagegen vor, dass HRS von seinen Hotels verlangte, bei keinem Konkurrenten billigere Angebote einzustellen. Und gewann.

Alte Regeln bröckeln - Streit um Ratenparität
Zwar zeigte sich der dunkelhaarige Jungmanager Ragge kreativ und führte kurz nach der Entscheidung des OLG Düsseldorf ein Top-Quality-Siegel ein, für dessen Teilnahme sich die Hotels ebenfalls zum Bestpreis für HRS verpflichten müssen. Doch auch entsprechende Äußerungen des Bundeskartellamtes deuten darauf hin, dass die auch von Wettbewerbern geforderte Ratenparität bald ganz fällt.

Und das nicht nur in Deutschland. Auch in anderen Ländern, in der Schweiz, den Niederlanden, Großbritannien und offenbar auch in den USA sind die Paritätsklauseln seitens der Wettbewerbshüter auf dem Prüfstand.

Angriff der Preisroboter
Für noch mehr Aufregung bei de Kölnern dürfte ein Trend sorgen, der sich erst seit einigen Monaten abzeichnet. Mit Expedia und Priceline/Booking.com haben in den vergangenen Monaten gleich zwei Mitbewerber Millionen Dollar in sogenannte Metasuchmaschinen investiert. Suchmaschinen, die Nutzern einen Überblick über die Preise so ziemlich aller Anbieter im Netz bieten.

Ein Trend, der auch Deutschland bereits erreicht hat. So meldete Expedia Ende Dezember an, für rund 477 Millionen Euro die Mehrheit am Düsseldorfer Hotelpreisvergleichsportal Trivago übernehmen zu wollen. Wenige Wochen zuvor hatte ein anderer Wettbewerber, Priceline/Booking.com, die laut dem Marktforschern von Gfk Travelscope bei der Reichweite unter privaten Nutzern HRS in Deutschland bereits überrundet haben an, angekündigt,1,4 Milliarden Euro für die Reisesuchmaschine Kayak zu zahlen.

Von Branchenexperten wurde der Zukauf als genialer Schachzug gefeiert. "Die Übernahme zeigt, dass ein Buchungsportal ohne Suchmaschine im normalen Wettbewerb nicht mehr bestehen kann", sagt der Hamburger Branchenexperte Marc Benkert.

Die Jagd nach den echten Schnäppchen
Die Beliebtheit der Preissuchmaschinen ist in den vergangenen Monaten deutlich gestiegen. Schließlich können Kunden schon seit einer ganzen Weile nicht mehr davon ausgehen, bei den Hotelportalen auch tatsächlich die günstigsten Tarife als erstes angezeigt zu bekommen. So bevorzugt beispielsweise Expedia Hotels bei der Präsentation, wenn sie eine höhere Provision zahlen. Booking.com bietet für registrierte Nutzer so genannte Secret Deals.

Und auch bei HRS ist der niedrigste Preis seit November nicht mehr die Garantie, bei der Auswahl ganz oben zu erscheinen. Das Portal hat seine Rankingsgrundlagen verändert - nach welchen Gesichtspunkten wird aber nicht offengelegt. Für die Portale selbst eine nachvollziehbare Praxis - schließlich finanzieren sie sich aus Provisionen.

Entsprechend sind Metasuchmaschinen derzeit im Aufwind. Alleine im ersten Halbjahr klickten in den USA laut einer Untersuchung der Marktforscher von Phocuswright 13 Prozent mehr Nutzer auf die Suchmasken als noch im Jahr zuvor.

Google lässt die Preise klettern
Und die großen US-Anbieter zieht es nach Europa. Vor allem Reiseweltmeister Deutschland gilt als interessantes Ziel. Nicht nur, weil hier die Wirtschaft noch verhältnsmäßig stabil ist. Die Deutschen verfügen über mehr Urlaub als die meisten US-Amerikaner, was lukrative Städtetrips besonders beliebt macht.

Ein noch größeres Erdbeben erschütterte die Branche dann Ende November: Google ging mit der deutschen Version seines Hotelfinders an den Start. Unter www.google.de/hotels können Nutzer dort nach Unterkünften suchen und sich die Ergebnisse nach verschiedenen Kriterien sortieren lassen. Die klassischen Online-Hotelvermittler sind alarmiert. Zwar können sie, indem sie im Google Hotelfinder für eine prominente Platzierung zahlen, die Aussichten bei der Buchung zum Zuge zu kommen, erhöhen. Doch das kostet. Schon jetzt, weniger als zwei Monate nach dem Deutschlandstart, hat sich der Preis für eine prominente Platzierung nach Branchenangaben teilweise verdreifacht.

Und gezahlt wird hier nicht für eine tatsächliche Buchung, sondern lediglich dafür, dass buchungsinteressierte Nutzer auf die eigenen Seiten weitergeleitet werden. Zudem bietet der Google-Hotelfinder auch den Hotels die Chance, direkt mit einer eigenen Offerte in den Suchergebnissen aufzutauchen - wenn sie dafür zahlen.

Mehr Akteure, steigende Preise
Doch nach Jahren der Vermarktung über Hotelportale tun sich viele Häuser mit der Vermarktung ihrer Betten über die eigenen Seiten noch schwer. Eine Initiative des Hotelverbandes IHA, ein Konkurrenzangebot zu den Portalen aufzumachen scheiterte vor einigen Jahren grandios. Mit Hotelnex befindet sich derzeit ein neues Portal in der Planung, dem Branchenbeobachter durchaus Chancen einräumen.

Dass Google mit derartigen Vorstößen eine ganze Branche erschüttern kann, zeigte sich in den USA zuletzt bei der Einführung der Flugsuche nach der Übernahme des Softwarepezialisten ITA 2011. Sie war so erfolgreich, dass viele Fluggesellschaften mittlerweile dazu übergegangen sind, auf Zwischenhändler zu verzichten und ihre Dienste selbst im Netz anzubieten.

In der Hotelbranche liegen die Dinge anders - schon alleine wenn man sich die Zahl der potenziellen Kunden anschaut. Der deutsche Markt ist stark fragmentiert. "Nur 1000 der insgesamt rund16.000 Hotels gehören zu Ketten", weiß Hotelexperte Carsten Hennig. Auf der anderen Seite ist die Marktmacht Googles bei der Hotelsuche nicht zu unterschätzen. "Rund 80 Prozent aller Hotelbuchungen beginnen mit einer Google-Suche , sagt Markus Luthe, Hauptgeschäftsführer Hotelverband Deutschland (IHA). Und über seine Angebote wie Google-Maps oder Google Now kann der Suchmaschinenbetreiber buchungswilligen Kunden wertvolle Zusatzdienste bieten.

"Es wird ein Hauen und Stechen geben"
Bislang hat Google seinen Hotelfinder in Deutschland noch nicht aktiv beworben. Doch schon jetzt hat der Start des Tools erhebliche Umwälzungen in der Branche ausgelöst. Portale fahren ihre Werbeausgaben für die klassischen Google-Suchworte zurück und schichten zugunsten des Hotelfinders um.

Entsprechend dürfte es nicht lange dauern, bis die Preise für die besten Positionen hier weiter in die Höhe schießen. Bei einer jährlichen Teuerungsrate von geschätzt 20 Prozent für die klassischen Google-Suchwörter-Anzeigen lässt das für die Werbenden wenig Gutes hoffen - besonders wenn zukünftig immer mehr Hotels die Vermarktung ihrer Zimmer stärker selbst in die Hand nehmen. "Wenn die Wettbewerbsdichte steigt, steigen auch die Klickpreise", heißt es dazu nüchtern bei Google.

Bei den Hoteliers scheint man angesichts der wachsenden Marktmacht von Google, Expedia und Booking.com unterdessen die Liebe zu HRS wieder zu entdecken, dem die Branche traditionell in einer Art Hassliebe verbunden ist. Schließlich, so heißt es in der Branche, habe man bei HRS zumindest einen verlässlichen Gesprächspartner - einen mit exzellenter Verdrahtung und einer starken Marktposition in Deutschland.

Schwere Umwälzungen in der Branche
Daran, dass der Branche schwere Umwälzungen bevorstehen, besteht in der Branche kein Zweifel. "Es wird ein Hauen und Stechen geben", erwartet Stephan Gerhard von der Hotelberatung Treugast.
Dass er sich auf neue Situationen einstellen kann und sich zu rüsten weiß, hat Tobias Ragge in den vergangenen Jahren unter Beweis gestellt. Dennoch ist er gegen Spieler wie Google , Expedia oder Priceline nur ein kleiner Fisch - mit einer deutlich kleineren Geldbörse.

Die App Justbook werde "eine Randnotiz in der Geschichte bleiben", erklärte Ragge noch vor einigen Monaten vollmundig. Jetzt muss er aufpassen, nicht selbst eine zu werden. Als Sieger steht bislang nur einer fest, meint Tourismusexperte Benkert. "Google gewinnt immer."
 
Quelle: Manager Magazin Online | Mirjam Hecking